Nicaragua

Weihnachten und Neujahr in Nicaragua

 

Als ich in Managua, der Hauptstadt Nicaraguas, ankam, war es dunkel. Aus den Fenstern des Busses sah ich etwas, das wie ein Jahrmarkt anmutete. Knallbunte Farben, Spielzeuge, Stände.

 

Am nächsten Tag stellte ich dann fest, dass es sich dabei um die Vorweihnachts-Dekoration handelte: Die Organisationen, Feuerwehr, Kirche, große Firmen, die Armee, die Polizei und Ministerien bauen Standbilder, die Mariä Empfängnis darstellen sollen. Die Szenen heißen Purísimas, wie die „reine“ Empfängnis Marias. Dabei ist alles erlaubt: von der traditionellen Weihnachtsdeko aus Baumbärten (Spanisch Moss) und Moos über traditionelles Spielzeug und Weihnachtssterne ( - die Pflanze - lebendig und aus Plastik), Wasser, Pflanzen, Metallkunst, Goldfolie war alles dabei – nur die Statuen dürfen nirgendwo fehlen. Dieses etwas kitschige Spektakel erhellt die Innenstadt, während aus jedem Lautsprecher noch etwas lauter unterschiedliche Weihnachtslieder klingen. Mit dabei sind natürlich die obligatorischen Essensstände: Fruchtsäfte, Obstsalat, Pupusas, Elotes (gekochter oder gegrillter Mais am Stiel), Asado (Gegrilltes), und natürlich Nieves: geraspelte Eiswürfel mit Sirup und Rum Flor de Cana. Am besten in Eisblau.

 

Als ich ein paar Wochen später wiederkam, war ich etwas überrascht: an Stelle der Empfängisszenen waren jetzt Krippenszenen getreten.

 

Später erfuhr ich, das es die Stadt Managua gerne mit der Weihnachtsdeko übertreibt. Künstliche Weihnachtsbäume leuchteten Jahrelang jede Nacht, bis sie fast alle der Zeit zum Opfer fielen. Weihnachten brauchte in Nicaragua keine Pause. Dann wurden sie von den etwas Saison-neutraleren knallbunten stilisierten Bäumen ersetzt. Die Neonfarben passen zu den Bannern am Hafen und zu den Farben, in denen jeder öffentliche Park gestrichen ist – oft ergänzt durch bunte Propaganda-Sprüche.“Heute leben wir in Sicherheit“ „Die Regierung erfüllt ihre Verprechen“ Zeit des Sieges [der Revolution]“ oder einfach nur „Victoria“ (Sieg).

 

Weihnachten und Neujahr werden hier gleich gefeiert: Um Mitternacht werden Knaller gezündet und es wird das traditionelle gefüllte Huhn mit Reis, Brot und Salat gegessen. Die Zutaten dafür schenken traditionell die Chefs ihren Mitarbeitern. Weihnachtsgeschenke scheinen hier keine so große Rolle wie in Deutschland zu spielen. (Achtung: kleine Stichprobe!)

 

 

 

Genussmittel: Kaffee, Schokolade und Tabak

 

Als wir mit dem Auto in die Bergregion Matagalpa fuhren, sahen wir zu beiden Seiten der Straße erst überschwemmte Reisfelder, dann immer mehr mit Planen ausgelegte Betonflächen, auf denen Unmengen heller Körner zum Trocknen ausgelegt waren. Kaffee, wie wir später lernten. Matagalpa und die umliegenden Berge haben die optimale Höhe über dem Meeresspiegel für den Anbau von Coffea Arabica, 600-1200m. Wir besuchten Don Pedro, einen Kaffeebauern in einem abgelegenen Dorf und ließen uns den Prozess erklären: Kaffee-Ernte ist in Matagalpa von Oktober bis Dezember. Bis zu drei mal werden alle reifen, roten (oder, in wenigen Varietäten, gelben) Kaffee-Kirschen gepflückt. Wenn die Knospen der neuen Blüten auftauchen, ist es Zeit für die letzte, vierte Ernte, bei der alle restlichen Kirschen, auch die grünen, geerntet werden. Diese letzte Ernte heißt Repela. Je mehr grüner Kaffee dabei ist, desto saurer wird das Produkt. Die Ernte ist immer Handarbeit. Dabei laufen die Erntenden entlang der Reihen und pflücken alle roten Beeren in einen Korb, den sie um die Hüfte tragen. Volle Körbe werden in Säcke geleert. Damit alle reifen Kaffeekirschen (oder Trauben) erwischt werden, muss jeder Strauch pro Erntegang mehrmals bearbeitet werden. Ich durfte ein paar Tage später bei der Nachernte helfen.

 

Danach werden die Schalen und das Fruchtfleisch/ die Pulpa von der Bohne mechanisch entfernt und der Kaffee wird 24 Stunden lang mit den Resten der Pulpa in Wasser fermentieren gelassen. Das Fruchtfleisch wird traditionell als Dünger verwendet, seit kurzem wird es auch als Té de Pulpa vermarktet. Ein sehr leckerer Tee, schmeckt leicht nach Rosinen und enthält natürlich viel Koffein. Dann folgt ein Waschvorgang, um die Pulpa-Reste zu entfernen – das entstehende „Honigwasser“ - das Abfallprodukt – darf wegen der hohen Enzym-Konzentration nicht einfach in Flüsse geleitet werden, sondern muss gefiltert werden. Mancherorts wird es auch zur Bekämpfung einer Kaffee-Plage verwendet, allerdings muss der Sud dabei in einer Mindestentfernung von den Pflanzen auf den Boden gegossen werden, sonst ist der Effekt zu stark. Die gewaschenen Bohnen werden dann ca. 14 Tage auf Gittern trocknen gelassen. An diesem Punkt heißen sie Café Pergamino (Pergament-Kaffee). Nach dem Trocknen – auf diesen Höhen im Nebelwald schwierig, sobald die Sonne scheint, müssen die Bohnen zum Trocknen ausgebreitet werden, bei jedem Nieselregen sofort wieder weggeräumt werden – wird die Pergamenthaut entfernt. Das Endprodukt heißt Café verde (grün) oder limpio (sauber) und ist bereit zum Rösten. Kaffee-Vertreiber kaufen meist Café Oro und rösten ihn dann vor dem Weiterverkauf.

 

Don Pedro verwendet diese Nasse Methode, die der einfachste Weg zu einem qualitativ guten Kaffee ist, aber auch die halb trockene Aufbereitung, wo der Waschvorgang ausgelassen wird und Reste der Pulpa an der Pergamenthaut bleiben. Nach dem Schälen erhält man wie gehabt die zum Rösten bereiten Bohnen, jedoch mit einem leicht anderen Aroma, da der Kaffee einen Teil des „Honig“-Aromas des Fruchtfleischs aufgenommen hat. Der Kaffee heißt demnach Café con Miel (Kaffee mit Honig).

 

Die dritte Methode, die Don Pedro verwendet, ist die trockene Methode, bei der der Kaffee mitsamt dem Fruchtfleisch getrocknet wird. Dabei ist der Trocknungsvorgang komplizierter und länger, da die Pulpa einen hohen Feuchtigkeitsgehalt hat. Der Kaffee wird dann auch geschält, um den Cafe de Oro zu erhalten. Das Produkt heißt Café natural oder Café de Uva (Trauben-Kaffee) bzw. Café de Cereza (Kirschen-Kaffee).

 

Don Pedros Kaffee ist „agro-ökologisch“, das heißt, es wird zusätzlich zur Pulpa künstlicher Dünger verwendet, jedoch möglichst wenig und gar kein Insektizid oder Unkrautvernichtungsmittel.

 

Traditionell wird Kaffee im Schatten höherer Bäume angebaut, wodurch das Ökosystem fast mit der gleicher Diversität wie im ursprünglichen Wald weiterbestehen kann. Bei dem Anbau im großen Stil wird jedoch leider oft der Wald vollständig gerodet und eine Monokultur geschaffen. Oft habe ich die Kombination mit Bananenstauden gesehen.

 

Die Kaffeefrucht wird nur von bestimmten Fledermäusen und Insekten gefressen.

 

In der Nähe von Don Pedros Cafetales (Kaffee-Feldern) sahen wir ein Faultier an einem Baum hängen. Diese faszinierenden Tiere haben eine extrem langsame Verdauung, da sie sich rein pflanzlich ernähren und fast keine Muskelmasse. Sie steigen einmal pro Woche von ihrem Baum herab, um ihre Notdürftigkeit zu verrichten und legen dann längere Stecken zurück, um einen anderen Baum zum Fressen zu suchen. In Costa Rica erfuhr ich, wie gefährlich Stromleitungen für Faultiere sind: die Tiere halten sie für dünne Äste, über die sie sich zum Nachbarbaum hangeln können und bekommen oft einen Stromschlag.

 

 

 

Kakao … Kakao … wie der Kaffee ein wiederkehrendes Thema auf dieser Reise.

 

Das Gold der Maya mit den vielen Namen. Die Olmeken waren das erste Volk, das Kakao anbaute. Bei den Maya und Azteken war der Kakao ein rituelles Getränk mit religiösen und medizinischen Zwecken. Das Getränk enthielt Wasser, Kakao, Mais, Vanille, Cayennepfeffer und etwas Salz, je nach Überlieferung auch Zimt und Blut des trinkenden, das aufgeschäumt wurde und fast ausschließlich mächtigen Leute zuteil wurde. Zucker hatte darin nichts zu suchen – dieser kam erst durch die Europäer.

 

Der Gattungsname der Pflanze, Theobroma (griech.), bedeutet Getränk der Götter, der Artenarme Cacao kommt von kakaw, ein sehr altes Wort ohne andere Bedeutung aus der Region Südmexikos und Guatemalas. Nach einer anderen Theorie gibt es einen gemeinsamen Ursprung mit dem Wort Cachuatl (Erdnuss).

 

Das Wort Schokolade (Xocolatl) kommt aus dem Nahuatl, einer der indigenen Sprachen Mexikos und vor der Ankunft der Spanier die Handelssprache zwischen den vielen Völkern des Landes. Es beutet bitteres Wasser.

 

Die reifen Früchte des Baums werden geerntet. Je nach Region ist ein Anbau gar nicht notwendig, da die Pflanze teilweise in großer Anzahl wild vorkommt. Das Fruchtfleisch ist süß und essbar. Wichtig sind jedoch die Kerne, die je nach Tradition entweder direkt getrocknet werden oder erst eine Weile in Bananenblätter gewickelt fermentieren, bevor sie trocknen. Die trockenen Bohnen werden geröstet , dann geschält. Die Schale werden entfernt und können für Tee verwendet werden. Die Kakaobohnen werden dann gemahlen. Das Produkt ist Liquor de Cacao – Kakaorohmasse. Aus dieser wird dann Kakaopulver, Kakaobutter oder Schokolade gewonnen.

 

Für die Schokolade wird die Masse mehrmals zusammen mit Zucker gemahlen und dann stundenlang, teilweise tagelang gerührt. Je länger der Rührvorgang, desto cremiger das Ergebnis. Im Rührvorgang können dann zusätzliche Zutaten wie Milch oder Alkohol hinzugefügt werden.

 

Fun Fact: obwohl Cacao aus Mittelamerika kommt, wird die beste Schokolade heutzutage in Europa hergestellt. In Lateinamerikanischen Ländern wird die Masse meist nicht solange gerührt, sodass der Zucker als harte Kristalle das Schmelzen auf der Zunge verhindert. Schokolade zum Essen ist hier nicht so geläufig, das Herstellen der Kakao-Getränke ist jedoch eine Kunst für sich. Abgesehen von Chocolate, der uns bekannten Trinkschokolade, gibt es jede Menge regionalspezidische Getränke.

 

Tascalate: eiskaltes Getränk mit Kakao, geröstetem Mais, Zimt und Achiote. Durch das Achiote erhält das Getränk eine knallrote Farbe. Wird als Pulver verkauft. Aus Chiapas.

 

Popo: Popo ist ein Kakaogetränk, das mit Zimt, Reis und der Frucht Chupipi hergestellt wird. Anscheinend enthält es auch Maismasse und wird wie viele Kakaogetränke geschäumt.

 

Agua de Barranca: Kakao, Mais, Saubohne, Zimt, Anis, Zucker und Eiswürfel. Aus Tlaxcala. Wird an Festtagen getrunken.

 

Tejate: eiskaltes Getränk aus weißem Kakao und Mais, Mamey-Kerne, Rosita de Cacao (eine medizinische Pflanze), Asche (zur Behandlung des Mais) und Zucker, oft zum Frühstück als Kraftquelle getrunken. Aus Oaxaca.

 

Pozol: ein eiskaltes geschäumtes Getränk aus Kakao und nixtamalisiertem* Mais, erstetzt bei der Feldarbeit teilweise eine Mahlzeit. Aus Chiapas.

 

Pinolillo

 

Mole

 

Chilate: gemahlener Reis, Kakao und Zimt, zusätzlich Wasser, Zucker und Eis. Aus Guerrero.

 

Tanchuca: sehr dickflüssiges Schaumgetränk aus dem zapotekischen Gebiet von Oaxaca und Tabasco aus Mais und pataxte- Kakao.

 

Bupu: Zapotekisches Getränk, der Name steht für Schaum. Ein weißer Atole (Maispudding; warm), gemischt mit dem weichen, kalten Schaum aus Kakao, Rohrzucker, Wasser und der Blüte Flor de Mayo oder Guiechachi

 

Atole: ein Maisgetränk, das aus der Nixtamal-Masse und Wasser hergestellt wird. Normalerweise nur mit Zimt und Rohrohrzucker gewürzt. Mit Schokolade und Vanille wird daraus Champurrado.

 

 

 

*Nixtamal ist die Maismasse, aus der Tortillas hergestellt werden. Dazu werden die Maiskörner mit Kalk gekocht und dann nass gemahlen.

 

 

 

 

Vogeltouren im Nebel-Nirgendwo

 

In Nicaragua gibt es viele Naturparks. Ich besuchte davon Miraflores, den Somoto-Canyon, die Laguna de Apoyo¹ und den Vulkan Mombacho (dazu mehr im Artikel „Vulkanismus“). Besonders Miraflores bleibt mir mit dem Nebelhochwald, den Bäumen voller Bartmoos, einem wunderschönen Wasserfall und einer Vogeltour in Erinnerung. Wir sahen zwar keine Tukane (mein Wunsch), aber dafür jede Menge anderes Flattervieh.

 

 

 

Schildkröten-Strand – Playa la Flor

 

Ganz im Süden des Landes, fast schon in Costa Rica, befindet sich ein Strand, zu dem sechs bis acht mal pro Jahr die Paslama-Schildkröten pilgern, um ihre Eier zu legen. Diese massiven Ankünfte werden Arribadas genannt. Ich kam ca. 6 Tage zu früh für die nächste Arribada und war sehr versucht, die paar Tage noch abzuwarten. Gemeinsam mit einem Guide und einem französischen Ehepaar sah ich die Babyschildkröten – kleiner als meine Hand – aus den Nestern im Sand schlüpfen. Wenn wir eine Schildkröte sahen, hieß es, das ganze Nest ausgraben und die winzigen Reptilien einsammeln, um sie möglichst schnell vor den wartenden Geiern und dem heißen Sand in Sicherheit zu bringen. Am sichersten für die Babys ist es, nachts zu schlüpfen, wenn die Spiegelung des Mondlichts den Weg ins Wasser weist. Deshalb ist die zunehmende Erleuchtung der Küstenstreifen ein Problem: eierlegende Mütter finden nicht so leicht den Weg zurück ins Wasser und die ohnehin harten Überlebenschancen der Kinder werden noch zusätzlich verringert. Ein Gelege besteht aus ca. 100 Eiern, von denen vielleicht eine oder zwei Schildkröten es bis ins adulte Alter schaffen. Nachdem die Schildkröte ein Nest gegraben und die Eier gelegt hat, dauert es ca. 40 Tage, bis die Babys schlüpfen.

 

An der Playa la Flor werden die Jungschildkröten von Naturschützern und dem Militär gemeinsam beschützt. Besucher*innen dürfen dort zelten, jedoch darf der Strand nachts nur mit Begleitung der Parkwächter betreten werden und nur rotes Licht darf verwendet werden, um die Schildkröten nicht zu verscheuchen. Außerdem muss Abstand gewahrt werden. Zum Glück ist der Strand so abgelegen, dass eh nicht allzu viele Touris es dorthin schaffen.