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Auf alten Wegen: Teotitlan del Valle, Oaxaca

 

Nach dem Erdbeben habe ich mich entschieden, im Mexico meine Liebelingsorte zu besuchen, anstatt Neues zu erkunden.

 

Also fuhr ich nach Teotitlán del Valle, in das Zapoteken-Dorf der Teppich- Weber. Ich durfte eine Woche bei der Oma eines Freundes wohnen. Am zweiten Tag besuchte ich als erstes die Familie, die mich vorvier Jahren aufgenommen hatte. Sie waren super lieb und luden mich auf ein super leckeres Mittagessen ein: Mit veganer Chorizo gefülltes Chile poblano! In Mexico scheinen sich vegan oder zumindest vegetarisch echt zu etablieren.

 

Ich durfte in dieser wunderbaren Woche an einer Hochzeit und den Vorbereitungen teilnehmen. Am Vorabend kommen die Eltern der Braut zu den Paten des Bräutigams. Diese Paten spielen eine wichtige Rolle. Traditionell handeln sie das Heiratsabkommen aus, und dann muss der Bräutigam mindestens ein Jahr im Haus der Brauteltern arbeiten, genauso wie die Braut nach er Hochzeit bei den Schwiegereltern. Erst dann dürfen sie heiraten. Dieser Teil der Tradition wird nicht mehr aufrecht erhalten, die Rolle der Paten ist jedoch weiterhin wichtig. Sie sind auch an den Hochzeitsvorbereitungen beteiligt. Im Haus der Paten wurde stundenlang Huhn für di Festtagsspeise gewaschen. Zu diesem Compromiso kommen dann auch alle Hochzeitsgäste der Paten; die Frauen helfen, während die Männer sich betrinken.

 

Dann wird Mescal und Bier (jeder Gast hatte ein Sixpack und Chips mitgebracht) getrunken und es gibt Mole Oaxaqueno (eine komplizierte Schoko-Chilli-Soße mit mindestens 30 Zutaten) mit Huhn und Tortillas. Und natürlich nimmt jede Familie etwas von dem Essen mit nach Hause.

 

Am nächsten Tag um fünf Uhr morgens kommen die Eltern der Braut wieder zum Paten und bringen eine Kerze und einen Rosenkranz mit. Diese werden noch eine wichtige Rolle spielen.

 

Dann gibt es Frühstück: Kaffee, heiße Schokolade (auf Wasserbasis), Gebäck, Mole de Olla (nur aus Chilli und Brot) … Und wieder einen Eimer voll Essen zum mitnehmen. Detail: das Essen der Männer wird ihnen immer von der Ehefrau serviert, und wenn sie satt sind, bringen sie den halb leeren Teller zur Frau. Diese packt die Reste ein und wäscht gemeinsam mit den anderen das Geschirr und räumt auf.

 

Um 12 Uhr ist dann der Gottesdienst – besonders lang, weil außer der Hochzeit auch noch die Taufe der Kinder des schon lange standesamtlich verheirateten Paares vorgenommen wird. Die Kerze wird angezündet und der lange Rosenkranz wird dem Brautpaar umgehängt.

 

Nach der Kirche ist erstmal eine große Fotosession mit Mariachi-Musik angesagt. Danach führen die Mariachis alle zum Festsaal – traditionell das Haus des Bräutigams, wo die Braut dann auch leben wird – in einem Hof wurde ein riesiges Festzelt aufgebaut und Stühle und Tische für 500 Leute sind aufgestellt.

 

Als erstes gehen die Gäste der Paten zum Brautpaar und beten für es. Tausende Geschenke werden aufgestellt: es überwiegen traditionelle getöpferte Schalen und Mixer. Aber es ist auch ein Schrank und ein Mühlstein dabei. Traditionell wird de Brautpaar für die Vorbereitungen einer Hochzeit von allen Verwandten und Nachbarn Geld gegeben, teilweise auch Vieh etc. Das wird dann genau aufgeschrieben und kann zu einem späteren Zeitpunkt als zurückgefordert werden. Es ist ein ausgeklügeltes Leihsystem, denn wenn etwas zurückgefordert wird, muss immer etwas mehr gegeben werden als die Schuld, damit das System weiterbesteht.

 

Erst wird Essen serviert, dann spielt eine Band, der Kuchen wird angeschnitten und dann beginnt der große Zeremonielle Tanz, der Fandango (dieses Wort wird traditionell auch als Synonym für Hochzeit verwendet). Alle Besucher der Hochzeit erhalten einen Zweig Hierba del Fandango (Tanzkraut). Dann beginnen die Paten mit dem Brautpaar zu tanzen. Danach tanzen die Paten mit den Eltern der Braut. Dann mit den Eltern des Bräutigams. Dann tanzen Paten, Brautpaar und die jeweiligen Eltern. Als nächstes sind die Eltern der Braut zusammen mit denen des Bräutigams dran. Dann die verschiedenen Tanten, Onkels und Geschwister, nacheinander, mit Paten und Brautpaar. Dann tanzt die gesamte Familie des Paten mit der des Bräutigams. Dann die Familie des Paten mit der Familie der Braut. Dann die Familie der Braut mit der des Bräutigams. Und, endlich, alle Gäste. Das dauert bei 500 Gästen ganz schön lange. Die traditionelle Musik zu dieser Zeremonie ist Jarabe del Valle.

 

Danach kamen noch ein paar andere traditionelle Hochzeitstänze. Der Hochzeitswalzer. Die Schlange, wo alle um den Bräutigam und unter dem Schleier der Braut drunterdurch tanzen und dann den Bräutigam von seinem Stuhl schubsen. Ein Tanz, wo der Bräutigam Schürze, Besen und einen Haufen voll Kinder angehängt bekommt, um mal zu spüren, wie das verheiratete Leben ist. Der Tanz der Geschenke: alle Gäste nehmen die Geschenke, die sie mitgebracht haben und tanzen damit durch den Saal. Besonders wichtig ist dabei, dass jemand den Metate tanzt: den Mahlstein aus massivem Vulkanstein. Der arme Mensch, der das gemacht hat, sag ich nur. Da dieses Fest auch eine Taufe war, wurde bei einem anderen Tanz der Geschenke alles mögliche nützliche für den Haushalt und Süßigkeiten verschenkt – wie beim Karneval. Oh und natürlich gab es die ganze Zeit Mezcal und Bier und irgendwann Barbecue, dann Atole (Maispudding).

 

Nach allen diesen Traditionen war auch noch Zeit für ein paar modernere Tänze, und da kam ich echt nicht zu kurz. Ich durfte kaum Pausen machen, so sehr haben die Männer aus unserer Gruppe sich bemüht, dass ich mich auch ja nicht langweile. Wir sind realtiv früh gegangen. Die ganze Gruppe gemeinsam, natürlich.

 

Am nächten Tag gab es dann nochmal Frühstück bei den Paten, zum Mittagessen beim Bräutigam sind wir dann nicht mehr hingegangen.

 

Stattdessen bin ich dann mit einem neuen Freund auf den Picacho gestiegen. Das war sehr schön: die raue, heiße, steppenartige Landschaft mit bunten Blumen, Gebüsch und wildem Salbei und ein schöner Ausblick auf das Valle Central, das zentrale Tal Oaxacas. Und sich mal wieder so richtig erschöpfen. Oben auf dem Berg gibt es bei den drei Kreuzen einen Altar, zu dem bei bestimmten Festen gepilgert wird.